Liberté My Ass pt. 1

btw-libertemyass1Natürlich finde selbst ich als passionierte Raucherin es instinktiv ekelhaft, wenn einer der größten Zigarettenkonzerne zu Werbezwecken in unserer kleinen Stadt ein sogenanntes Kulturevent aus dem Boden stampft und die Presse nur positiv darüber berichtet, so geschehen vor ein paar Wochen mit dem ‘Place de la Liberté’. Da hilft es nicht mal, dass es sich um meine Lieblingsmarke handelte, nee, das vergällt (etymologisch inkorrekter pun intented) sie sogar mir ganz schön. Nach der instinktiven Abscheu hab ich  mich natürlich gefragt, was es denn eigentlich ist, was mich gar so sehr dran stört, denn bloße ‘Sellout’-Szenarios entlocken mir sonst eigentlich bloß noch ein kleines ‘schade’. Ich denke, es ist zum einen die Anknüpfung an eine Undergroundszene, die mir am Herzen liegt, und zum anderen trifft es den Nerv eines ganzen Sumpfes von Themen zwischen Geld und Kultur und Macht, die mir in den letzten Jahren immer häufiger beim Thema Musik unangenehm zwischen die Finger kamen. So steht diese Veranstaltung letztlich nur exemplarisch für vieles.

Wie gesagt, in manchen Punkten knüpfte das Zigarettenspektakel geschickt an den kulturellen Underground der Stadt an. Die Wahl der Location zum Beispiel: Am alten Quelle-Gelände, auf dem gerade eine kleine kreative Szene heranwächst – Kunsthandwerk, Design/Mode, Musik, u.a. – , die sich mit ihrem Ort ein Stück weit identifiziert (mehr Infos z.B. auf Quelle Syndikat und Die Quelle). Aber auch durch Teile des Programms wie die Street Art Führung oder manche der DJs, die sonst Ecken dieser Stadt auflegen, die hauptsächlich durch ehrenamtliches Engagement am Leben erhalten werden. Genau da wird die Kluft auch unangenehm sichtbar: Auf der einen Seite der Großkonzern, der mal eben zig-Tausend Euro für so eine Werbeaktion aus dem Ärmel schüttelt, auf der anderen Seite die enge Verbindung des von ihm Benutzten mit nichtbezahltem Engagement oder gar der Illegalität. Zu denken, es gehe dabei um Förderung der Kultur ist naiv. Es geht wie stets bei solchen werbefinanzierten Spektakeln um das Anknüpfen an ein Lebensgefühl: Hier für Straße, Underground Clubbing, Kreativität und – toujours – Freiheit steht.

Das Absurde ist, dass gerade Sachen wie Streetart und Underground DJs ihren Wert für diese Aktion, also die Aura des Lifestyles, der sie und ihre Werke oder Parties umgibt, nur dadurch gewonnen haben, dass sie dafür bekannt sind, sich idealistisch abseits einer sonst omnipräsenten Verwertungslogik zu engagieren. Um bei meinen Beispielen zu bleiben: Ob das der Sprayer ist, der das Risiko der Illegalität auf sich nimmt, um seine Kunst an ungewohnte Orte zu tragen oder einen Slogan gegen die Gentrifizierung ihres oder seines Lebensumfelds zu äußern, oder der DJ/Partyhost, der oder die neben der Beschäftigung mit und der Liebe zur Musik auch noch tage- (oder wochen)lange Freizeit in Planung und Dekobasteln steckt, um die nächste Partynacht zu kreieren, die ja in alter Rave-Theorie auch für nichts anderes als einen Ausbruch aus der Gesellschaft steht, für eine ‘temporary autonomous zone’, für die er kein Geld in die eigene Tasche steckt. Es steckt eine Portion Freiheit darin, sich so selbstbestimmt wenigstens in kleinen Häppchen der sonst den Alltag dominierenden Verwertungslogik zu entziehen.
Dieser Bruch zwischen dem, für was man die Sachen sonst schätzt und ihre Präsenz auf so einem corporate Event, das schmerzt und es sollte auch schmerzen, denn wenn’s nicht wenigstens ein bisschen piekst, dann hieße das ja irgendwo, dass einem das sonstige Engagement dieser Leute egal wäre. Auch von Gauloises für den Event verwendete Slogans wie ‘Kunst braucht Freiraum. Kunst braucht Austausch.’ wirken ein wenig obszön in einer Stadt, in der solche Sätze für eine lange Geschichte der Soziokultur mit ihren Kulturfreifräumen wie dem KOMM stehen. Ich bin froh, dass es hier noch Leute gibt, die so einen Event nicht einfach blindlings bereichernd finden. Wenn wir nicht wollen, dass ‘Freiraum’ nur noch heißt ‘frei von finanziellen Einschränkungen’, sollten wir kritisch mit solchen Veranstaltungen umgehen und stets im Kopf behalten für was sie stehen, und was sie mit unserer (Sub-)Kultur tun.
(Fortsetzung folgt.)

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