Zynismus, Politics und Trump

K4 / Künstlerhaus Nürnberg. Photo: eve massacre

Seit Tagen oder Wochen will ich als reflektierendes Nachbeben zur Trump-Wahl bloggen. Doch wo anfangen? Was gibt es noch Sinnvolles zu ergänzen? Ich versuche es jetzt einfach mal, weil Bloggen für mich immer eine gute Methode war, um Gedanken zu sortieren und einzuordnen. Und ich wollte mir sowieso wieder den Anspruch abgewöhnen, dass Blogposts immer ausgereifte fertige Artikel sein müssen.

Ich nehme mal ein Stöckchen auf, dass mir in den sozialen Medien hingeworfen wurde. Als ich am Morgen nach der Wahl aufwachte und mein Handy unter die Bettdecke zog, um einen Blick auf Twitter zu werfen, verriet mir schon die bloße Zahl der Tweets, die über Nacht angefallen waren, dass er gewonnen hatte. Diese Zahl ist tatsächlich zu sowas wie einem Indikator für mich geworden, dass schon wieder etwas Schreckliches passiert ist. In solchen Moment haben viele Menschen mehr Kommunikationsbedürfnis, wollen ihr Entsetzen äußern, werfen mehr Leinen aus, die andere kommentieren, oder auch einfach nur tröstend mit Favs und Retweets auffangen, kleine Signale der Verbundenheit, Twitter kann da sehr gut tun. Ich verfalle da immer eher in Schweigen, wenn mich etwas so hart trifft wie die Nachricht von Trumps Sieg. Es war wirklich ein taubes Gefühl der Unwirklichkeit, gefolgt vom langsamen Heranrollen der Ahnung, was das für viele Menschen in den USA – und anderswo – an Tragödien mit sich bringen wird. Nicht nur in Form von Trumpscher Politik, sondern auch im Alltag, wo sich die Diskriminierungen und gewalttätigen Übergriffe gegen Marginalisierte auch tatsächlich alsbald häuften, fühlten sich doch die Rechten in ihrem Hass und in ihrer verqueren Opferlogik bestätigt. Und es traf mich auch in dem Bewusstsein, was das für Rechte weltweit für ein verstärkendes Signal sein würde – auch für AfD, CSU, Identitäre und Konsorten. Neben den ganzen zutiefst betroffenen Meldungen, tat sich alsbald eine abgeklärte Variante auf, die schrieb, dass, wer darüber schockiert sei, dass Trump zum Präsidenten gewählt wurde, zu einer ignoranten oder weltfremden Elite gehöre. Ich halte das für zynisch. Ich bin schockiert, weil ich mich weigere, meine Hoffnung aufzugeben, noch weiter abzustumpfen oder zu verbittern.

Mir ist Zynismus durchaus nahe. Er liegt mir. Er passt zur Hoffnungslosigkeit. Er schafft Distanz, nicht nur zu seinem Thema, auch zu Menschen. Und ja, ich empfinde die Welt als zutiefst kaputt und destruktiv. Aber ich glaube an nichts außerhalb oder danach, deswegen scheint es mir, das einzig Sinvolle zu sein, das beste aus dem Hier und Jetzt herauszuholen, aber dabei nicht nur in blanken Hedonismus zu verfallen, sondern parallel auch noch dazu beizutragen, die Welt ein Stück lebenswerter zu machen. Das ist vielleicht auch der Grund ist, warum ich mich als Autorin und DJ und Veranstalterin so wohl fühle: Es sind Positionen, in denen ich dazu etwas beitragen kann, dass sich Menschen inspiriert fühlen, oder zum Widerspruch angeregt, oder ein Konzert, eine Clubnacht lang aufgehoben und glücklich. Gleichzeitig ist mir zufriedene Geselligkeit aber auch immer ein Stück weit suspekt, kann, nein, darf nur ein zeitlich befristeter Zustand sein. Eine Basis, die Kräfte für kritisches Weiterdenken und -arbeiten sammeln lässt.

Und wenn ich schon gerade ein bisserl persönlicher werde: Ich bin in einer Zeit, in einer Welt aufgewachsen, in der versucht wurde, möglichst alles nach außen hin in Zuckerwatte zu hüllen, in der es galt, Brüche in Gesellschaft und Familie schön zu übertünchen. Es galt, aufzupassen, dass nichts von der Gewalt und Hässlichkeit durchscheint, die sich hinter verschlossenen Vorhängen abspielte – egal ob auf großer politischer Bühne oder hinter frischgestärkten Reihenhausgardinen. Dank einiger großartiger Menschen, wurde ich aber zum kritischen Denken erzogen, und traute mich alsbald, gegen Missstände den Mund aufzumachen, auch wenn das hieß, sich unbeliebt zu machen, Menschen zu verlieren. Zynismus bis hin zum beißenden Sarkasmus erwies sich da als wohltuende Waffe, um scheinbare Harmonien zu zerreißen, unter denen Misstände verborgen wurden. Ich habe ihn als provokative Waffe von Marginalisierten oder von politischer Kritik kennen- und schätzengelernt, aber diese Zeiten sind vorbei, das Blatt hat sich längst gewendet. Zynismus ist schon lange im Mainstream angekommen, es ist die alltäglichste aller Waffen geworden, die längst von oben nach unten genutzt wird. Nun, zerrissene zynische Abgründe nach außen zu tragen ist nicht mehr konstruktiv disruptiv, es zieht andere runter, entsolidarisiert, es ist kein Fundament, verharrt in der rebellischen Pose der Verachtung der anderen. Das war es letztlich, was mich immer an den Zynismen störte, die von professionell-wortgewandten Social Media Journalist*innen, die mit der Moderation von Facebook- und anderen Kommentarbereichen betreut sind, gerne gegen die “dummen” rechten Kommentare eingesetzt wurden. Das schürt nur ein Feuer.

Nehmt Fernsehen: Von Harald Schmidt, der vielleicht als erster Zynismus massentauglich gemacht hat, bis hin zu der Kommentarstimme, die seit Jahren über all den Reality Soaps und -Shows liegt, in denen Menschen sich in so ziemlich allen Lebenssituationen aneinander messen und sich für wenig Geld und Ruhm demütigen lassen. Neben zahllosen Talkshows, die in den Nullern damit florierten, sich über Marginalisierte zu amüsieren. Talkshowmoderationen mit provozierenden Fragen und mit nach dem nächsten Faux-Pas gierendem Blick. Oder Polit-Talkshows, in denen blankes sensationalistisches Entertainment als Diskussion, als Suche nach Konsens oder Lösungen verkauft wird. Das ist zutiefst zynisch, gerade weil es meist Themen sind, die tatsächlich einer fundierten öffentlichen Diskussion bedürften. Über Jahrzehnte hinweg basierte so viel TV-Entertainment darauf, ein Stereotyp von gescheiterten Menschen zu errichten, von Hartzern als Schmarotzer, Menschen an der Armutsgrenze, die angeblich einfach ihr Leben nicht im Griff haben, von Hochverschuldeten, die darin versagen, den Überblick über ihre Finanzen zu halten. Die sarkasmustriefende Häme von TV Shows und Sensations-Newsmedien, die vor allem auf Menschen gerichtet ist, die am Scheitern sind, ist der popkulturelle Ausdruck der endkapitalistischen Ära.

Owen Jones hat in Chavs ausführlich beschrieben, wie das zur “Dämonisierung der Arbeiterklasse” beitrug, quasi den Zusammenhang zwischen all der Schackeline-von-Mahrzahn-Comedy und dem Verlust jeglichen Klassenbewusstseins aufgezeigt. Es ist heute letztlich keine Identifizierung mehr damit möglich, niemand versteht sich heute als arm oder sozial benachteiligt. Im öffentlichen Diskurs sind die Leidtragenden an den über die Jahre für Arbeiterklasse und Prekariat sich verschlechternden Arbeitsverhältnisse selber schuld. Immer wieder die Big Daddy-Stimme: “Wer will, der kann auch arbeiten. Wer keine Arbeit findet oder an den Arbeitsbedingungen zerbricht, ist selber schuld.” Ist die Gesellschaft zu hart, bist du zu schwach. Hyperindividualisierung ist an die Stelle von einem Gefühl getreten, dass man gemeinsam mit anderen in einer Situation steckt. Und das wäre die Basis für die Idee, etwas ändern zu können. Das Veröden von Solidaritätsbewegungen durch das mal mehr, mal weniger sachte Hinwirken auf vereinzelnde Arbeits- und Arbeitslosigkeitsstrukturen hat Folgen gezeigt: Es geht nicht mehr darum, deine Arbeitsbedingungen zu verbessern, sondern dich zu verbessern. Egal, ob Proletariat oder Prekariat: Was du bist, ist nur noch etwas, was es zu überwinden gilt. Ist ja eigentlich hinlänglich bekannt. Und darüber zu sprechen, hieße, dein Scheitern einzugestehen. Und da ist ja auch immer diese Stimme, die dir kumpelhaft in die Rippen stößt, und dir versichert, dass du ganz anders bist, als die armseligen Loser um dich herum. “They don’t see themselves as poor, they see themselves as temporarily embarassed millionaires”, schrieb John Paul Brammer in einem Twitter-Thread darüber, wie die Stigmatisierung von Armut für viele Arme zur Identifikation mit einem Milliardär wie Trump führen konnte.

Auch im Journalismus findet sich der zynische Grundtenor, zum Beispiel in der Zunahme eines Meinungsjournalismus, von zahllosen Kolumnen, die mit zugespitzten, kaum noch als Welterklärungsversuche getarnten Provokationen Menschen aufeinander hetzen und dazu beitragen, gesellschaftliche Gräben zu vertiefen. Die schriftliche Variante der Polit-Talkshows. Aber mein Beispiel hier sollte TV sein, da es letztlich das Podium war, dass Trump als Ideologie am stärksten in die Köpfe gepflanzt hat (und ich spreche hier nicht von der Wahlkampfzeit, sondern von Jahrzehnten). Von Trumps eigenem Fox-Imperium, bis hin zu so traurigen Beispielen wie CNN, die im Nachhinein dann doch noch einsahen, dass es wohl keine so gute Idee war, mehrmals Wahlpropandaveranstaltungen von Trump komplett und unkommentiert auszustrahlen. Letztlich am prägendsten hat er sich aber mit The Apprentice in das öffentliche Bewusstsein eingeschrieben. Über Jahre hat Trump sich dort als Big Daddy, der weiß, was Sache ist, inszeniert.  Und er wurde von vielen gewählt, weil sie Politiker*innnen nicht mehr trauen, sondern stattdessen lieber einen erfolgreichen Geschäftsmann den Staat zum erfolgreichen Business führen lassen wollen. Wir haben dazu gottseidank keine parallele Figur hierzulande. Das anscheinend zunehmend nach rechts abdriftende Red Bull-Medium Servus TV kommt der unseligen Verquickung von Neu-Rechten und großem Konzern mit einem Sender vielleicht hier noch am Nähesten. h Als ich letzthin da mal bei einer TV-Show reinklickte, wurde gerade um Verständnis für die Position von Impfgegnern geheischt, dekoriert mit pseudo-wissenschaftlichem Einspieler. Aber das ist von der Personalunion Trump natürlich Welten entfernt.

Trumps Social Media Selbstinszenierung wird gerne als naiv missverstanden, aber ich hoffe sehr, dass wir stattdessen aus seinem Spiel mit dem Journalismus etwas für den Umgang mit AfD, Identitären, CSU usw. hierzulande lernen. Politik und Strategie analysieren und erklären statt Empörartikel über Provokationen rauszuhauen, das würde ich mir wünschen. Nicht den Inhalten der Rechten Platz einräumen, sondern nur den Mechanismen die dahinter stecken. Analyse statt Podium sein. Billigartikel, die nur die zynischen Provokationen abbilden und mit lustigen “so reagiert das Netz”-Einbettungen dekorieren, bringen zwar mehr Clicks, aber niemand mit einem Funken journalistischer Ethik sollte in dieser Weise als Verstärker von rechter Propaganda herhalten – egal wie knapp das Geld ist. Es muss klar sein: Für die Neu-Rechte ist diese Berichterstattung über ihre Provokationen dreifach zuträglich: Sie ist Propaganda für den Kreis, der ihnen eh schon folgt, sie ist zunehmende Normalisierung von rechtem Gedankengut in der breiten Gesellschaft, und sie ist eine Möglichkeit auszutesten, wie weit sie mit ihren Positionen zum jeweiligen Zeitpunkt gehen können, um noch wählbar zu bleiben.

Soweit mal ein paar Gedanken für heute, jetzt auf ins Kino, “I, Daniel Blake” gucken.

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